Folge 656

28.09.2007 Reisetagebuch

Stand
Autor/in
Alexander Schweitzer
Alexander Schweitzer

Es ist eine Reise der ganz besonderen Art: die gesamten 2.500 Kilometer von Nürnberg nach Istanbul, zum alten Bahnhof Sirkeci werden mit Dampf zurückgelegt.

Budapest

Der Tag empfängt uns mit Regen. Wettergott und der Gott der Pünktlichkeit scheinen uns die Freundschaft gekündigt zu haben, denn wieder geht es später los, ein Bus mit Hotelgästen wird vom Budapester Morgenverkehr einfach festgehalten. Schade dass es regnet, die übrigen Gäste hätten die Zeit gut nutzen können, um das gelbe klassizistische Bahnhofsgebäude der ungarischen Hauptstadt aus dem Jahr 1884 in seiner gesamten Schönheit in Ruhe bewundern können und auch das blaue Dampflokdenkmal am Rande des Gebäudes. Auch das Stellwerk am Ende des Bahnsteigs ist mehr als einen kurzen Blick wert.

Der grüne Laubfrosch

Vor dem Zug stehen die 919 von Brenner und Brenner und der grüne Laubfrosch, der sich bei solchen Wetterbedingungen ausgesprochen wohl fühlen dürfte. Bei unserem speziellen Laubfrosch handelt es sich um eine Stromliniendampflok mit der Achsfolge 2 B 2 und der Betriebsnummer 242.001. Erstellt wurde die Lok 1936. Ein Renner, aber auch ein Leichtgewicht, denn mit seinen 800 PS taugt Fröschlein wirklich nur als Vorspann, aber da ist er ein Blickfang, die einzige betriebsfähige Lok dieser Art auf der Welt.

Erste Scheinanfahrt

Es regnet nicht mehr und mit quakenden Auspuffschlägen hüpft unser kleiner Laubfrosch vergnügt vor die Objektive der Fotografen. Noch fehlt die Sonne, aber wir sind ja alles Optimisten.
Die Strecke, die wir mit dem Laubfrosch verbringen, ist leider sehr kurz, außerdem drängt die Zeit wieder einmal, so dass wir leider keine Möglichkeit mehr haben, den grünen Renner vor unsere Objektive zu bekommen. Am Grenzbahnhof Szob dürften wir den Zug nicht verlassen und schwups ist der Laubfrosch im grünen Gras verschwunden, beziehungsweise schon wieder auf dem Weg ins heimische Depot. Schade.
Als Entschädigung hat sich die Sonne wieder ins Blickfeld geschoben und auf einmal sieht die Welt wieder viel bunter aus.

Hilfszug

Am slowakischen Grenzbahnhof Sturovo ist genug Zeit, um die Dampfloks, aber auch die Fahrzeuge des Bahnalltags zu fotografieren. Die moderne E-Lok der slowakischen Staatsbahn mit ihrem freundlichen gelb-roten Anstrich strahlt über beide Scheinwerfer. Eine besondere Zugkomposition wird von einer originalen Taigatrommel gezogen, dahinter ein Niederbordwagen mit einem Bagger darauf, anschließend ein Kesselwagen samt Pumpaggregat, als letztes folgt ein alter Schnellzugwagen. Dieser Zug muss in der Slowakei immer einem Dampfsonderzug folgen. Eine Sicherheitsmaßnahme, speziell für den Fall, dass sich eine Böschung entzündet hat. Als sehr vorteilhaft erweist sich dieser Zug außerdem, wenn die Dampfloks Wasser benötigen.
In Sturovo wird die Fahrtrichtung gewechselt, auf nicht elektrifizierter Strecke geht es Richtung Bratislawa.

Zweite Scheinanfahrt

Nun ist 475.196 die Zuglok, die hochbeinige "Fürstin", die in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag feiert. Da die Sonne strahlt, ist beinahe der ganze Zug leer, schließlich stehen die meisten Gäste im Sonnenschein, um die erste Scheinanfahrt in der Slowakei in vollen Zügen genießen zu können. Alles ist großartig, das Licht stimmt, der Hintergrund stimmt, der Zug setzt zurück, allerdings zeigt sich hinter der Sonne eine dunkle Front. Umgehend erhält der Zug seinen Abfahrtsbefehl und kurz darauf die Wolke wohl die Verdunklungsanweisung, jedenfalls ist mit dem ersten "fürstlichen" Auspuffschlag wieder grau angesagt.

Das letzte Wort

Nach der letzten Scheinanfahrt bin ich bereits auf dem Weg zum Zug, als mich der Fotolinienruf ereilt. Der Zug macht nämlich noch eine Scheinanfahrt in die andere Richtung.
Als ich später im Abteil erzähle, dass ich ebenfalls zurückgepfiffen wurde, meint ein Fahrgast verschmitzt lächelnd: "Das war kein Anpfiff, nur ein zarter Hinweis. Bei Neulingen muss man Nachsicht walten lassen....."

Einen wunderschönen Abend können wir im Eisenbahnmuseum von Bratislava verleben. Essen, Trinken, Unterhaltung, diese drei Dinge sind ganz groß geschrieben, deshalb kommt so mancher Reiseteilnehmer erst weit nach Mitternacht im Hotel an. Begeistert von der Freundlichkeit der Museumsmitarbeiter, die jede Kleinigkeit, jedes Exponat genauestens erklären konnten und die für Interessierte die Geschichte der slowakischen Eisenbahn in allen Facetten aufleben lassen. Unseren Kameramann Michael Frick haben es vor allem die alten Autos angetan.

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Alexander Schweitzer
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